Das Predigtwort für den heutigen Sonntag steht im Neuen Testament der Bibel, Evangelium nach Johannes, Kapitel 8, die Verse 3 bis 11:
Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten eine Frau, beim Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte und sprachen zu ihm: Meister, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen worden. Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche Frauen zu steinigen. Was sagst du? Das sagten sie aber, ihn zu versuchen, damit sie ihn verklagen könnten. Aber Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. Als sie nun fortfuhren, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie. Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. Als sie aber das hörten, gingen sie weg, einer nach dem andern, die Ältesten zuerst; und Jesus blieb allein mit der Frau, die in der Mitte stand. Jesus aber richtete sich auf und fragte sie: Wo sind sie, Frau? Hat dich niemand verdammt? Sie antwortete: Niemand, Herr. Und Jesus sprach: So verdamme ich dich auch nicht; geh hin und sündige hinfort nicht mehr. (Johannes 8, 3-11)
Am Ende des Beitrags steht GOTTES WORT ZUM SONNTAG zusätzlich als PDF Datei zur Verfügung.
AUGENBLICKE DER RUHE DURCH GESUNDEN ABSTAND
Liebe Leserinnen & Leser,
unsere Welt ist in Aufruhr. Und das nicht erst seit Corona, Ukraine-Krieg oder Inflation. Nein, seit Jahren ist sie das eigentlich schon. Wie bitte, mögen sie jetzt vielleicht denken? Habe ich etwas verpasst oder wird hier gerade zu schwarzgemalt? Mitnichten. Aber die Situation in unserem Predigttext, sie könnte auch recht einfach und schlicht in unsere heutige Zeit gedacht werden. Eine Person in der Mitte, fraglos schuldig, auf frischer Tat ertappt, angeklagt, verurteilt. Beschimpft, verschrien und verunglimpft. So ergeht es der Frau in unserem Predigttext. So ergeht es in gewisser Weise vielen Menschen auch heutzutage. Nur dass das Medium der Verunglimpfung und Verurteilung in unserer heutigen Zeit und Kultur nicht mehr der Stein, sondern Schimpftiraden, Mobbing oder zügelloses Bashing, beispielsweise in den sozialen Medien sind. Die Stimmung ist aufgeladen. Jeder und jede reckt sich, um zu schauen, was passiert. Doch Jesus bückt sich und malt mit den Fingern in den Sand. Sekunden, Minuten vergehen. Er malt in den Sand, während über ihm die Menge brodelt, nach Recht und Ordnung ruft, nach Strafe und Vergeltung. Ganz ehrlich: Der Typ hat die Ruhe weg. Er wahrt einen gesunden Abstand.
Vielleicht ist es das, was wir in all den letzten – fast nun schon seit drei nicht wie gewöhnlich laufenden - Jahren neu gelernt und verinnerlicht haben und was wohl auch einen gewissen Unterschied ausmacht: ein gesunder Abstand. Manchmal kann es gut und hilfreich sein, auf Distanz zu gehen. Leute, die – bildlich gesprochen – Steine in die Hand nehmen, um anderen zu schaden, um sie fertig zu machen, solche gibt es genug. Jesus zeigt, was es heißt einen gesunden Abstand zu wahren. Er läuft nicht mit bei der Hatz auf die Schuldigen. Und für die, die sich schuldig gemacht haben, hat er nicht einen Stein in der Tasche. Stattdessen malt er in den Sand. Das Bild möchte ich auf jeden Fall mir bewahren: Für den Fall, wenn es auch mich treibt, mit Anderen über andere schlecht zu reden oder sie gar zu verurteilen. Aber auch für den Fall, wenn Andere mir zusetzen. Das Bild möchte ich mir bewahren: Jesus malt in den Sand. Und er spricht den einen Satz, der alles verändert: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“ Nicht Gesetz, Recht und Ordnung werden für ungültig erklärt – Schuld bleibt Schuld. Aber der Eifer zum selbstgerechten Verurteilen wird entlarvt und zum Schweigen gebracht. Kleinlaut rückt am Ende einer nach dem Anderen ab. Es tritt Ruhe ein. Die Welt hat sich für einige Augenblicke verändert. Mit Blick auf Jesus, auf seine Botschaft und sein Handeln, sollten wir uns darin ermutigt fühlen: Es sollte und kann mehr solcher Augenblicke geben.
Dazu wünsche ich uns den Segen Gottes.
Ihr Pfr. Paul-Gerhard Feilcke