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19.09.2021 Kategorie: Gemeinde

Gottes Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Paul-Gerhard Feilcke für den 19. September 2021

Das Predigtwort für Sonntag steht im Alten Testament im Buch der Klagelieder (Kapitel 3, Verse 22 bis 26 sowie 31 und 32):

Die Güte des Herrn ist's, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß. Der Herr ist mein Teil, spricht meine Seele. Darum will ich auf ihn hoffen. Denn der Herr ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt. Es ist eine gute Sache, geduldig zu sein und auf die Hilfe des Herrn zu hoffen. Denn der Herr verstößt nicht ewig, sondern er erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.

Am Ende des Beitrags steht GOTTES WORT ZUM SONNTAG zusätzlich als PDF Datei zur Verfügung.

»GOTT IST UNS NAHE!« 

Liebe Leserinnen & Leser,

das ist doch mal eine Ansage. In dem obenstehenden Predigtwort heißt es klipp und klar und ermutigend dazu: »Die Güte des Herrn ist es, dass wir nicht gar aus sind, […] sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.« Diesen Worten ist das bekannte Kirchenlied »All Morgen ist ganz frisch und neu« nachgedichtet. Es stammt von Johannes Zwick (1496-1542), einem Zeitgenossen Martin Luthers und ein Reformator in der Stadt Konstanz: »All Morgen ist ganz frisch neu / des Herren Gnad‘ und große Treu. / Sie hat kein End den langen Tag, / drauf jeder sich verlassen mag.« Kommt uns bekannt vor, oder? 

Doch wer spricht so und wer singt so? Menschen, die dieser Tage guter Laune sind, weil es ihnen trotz Corona-Einschränkungen und Corona-Lockdown recht gut geht? Sprechen oder singen so Menschen, die vielleicht bewusst wegschauen vom Elend, von den Sorgen und Problemen in der Ferne und in der Nähe? Ertönt hier der Gesang von einer erträumten Insel der Glückseligen, abseits vom realen Leben? Alles weder noch! Achten wir darauf: diese Worte stehen mitten in dem biblischen Buch, das nicht umsonst den Titel trägt: »Klagelieder«. Hier hören wir Arges, schwer Erträgliches, Trauriges, Bitteres. Etwa so wie das, was wir aus den Tagesnachrichten kennen: über die bedrängten Frauen in Afghanistan, über die vom Tod bedrohten Flüchtlinge im Mittelmeer, über die stark ansteigende Anzahl von Corona-Toten in vielen Schwellen- und Drittländern unserer Erde. Das Arge, das schwer Erträgliche, das Traurige, das Bittere in unserem heutigen Bibelwort, ist das Erlebnis des jüdischen Volkes von der Zerstörung seines Tempels in Jerusalem, im Jahre 587 v.Chr. Und das war nicht irgendein Häuser-Abriss, um einen andren Bau oder einen Parkplatz dahin zu setzen. Sondern mit der Zerstörung des Tempels, also der heiligen Kirchen im Judentum schlechthin, stellte sich die existentielle Frage: »Wo ist Gott? «

Auch der christliche Glaube kennt diese Frage, aufgegriffen von Jesus bei seinem Tod am Kreuz am Karfreitag: »Mein Gott, warum hast du mich verlassen?« (Ps 22,2; Mt 27,46) Das sind Worte, die sich noch so manchen in unseren Zeiten nahe gehen. 

Und nun mittendrin in dem Geseufze stehen wie ein hellstrahlender Leuchter die Sätze, die wir oben lesen können: voller Trost, voller Evangelium. Sätze, die Licht in das Dunkel bringen. Dietrich Bonhoeffer schrieb noch kurz vor seinem Tod: »Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.« Doch wir können dieses Tröstliche bis heute nicht einfach annehmen abgelöst von all dem Trostlosen. Das wäre Augenwischerei und Verdrängung der eigentlichen Realität. Aber wir müssen auch nicht seufzen und klagen, ohne dass uns das zugesprochen wird: »Die Güte des Herrn ist es, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.« Bedenken wir diesen wunderbaren Zuspruch einen kurzen Moment. Er sagt zu: 

Gott ist uns nahe auch dann, wenn er uns ferne scheint, auch dann, wenn wir ihn für abwesend halten, wenn wir darum von ihm absehen. Er ist bei uns auch, wenn wir meinen, wir müssten jetzt ohne ihn auskommen, müssten ohne ihn zurechtkommen. Auch dann steht er uns zur Seite. Mag sein: wir sehen das nicht. Wir bezweifeln es. Wir bilden uns ein, wir sähen bloße Hirngespinste, wenn wir von ihm reden. O nein, es gilt auch dann die Zusage: »Seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende.« Wir dürfen aufatmen, selbst wenn uns anders zumute ist.

Allerdings, auch das ist wahr: Gott könnte fern von uns sein. Gott könnte einen Strich durch unsere Rechnungen machen. Er ist halt keine Puppe, mit der man tun und lassen kann, was einem beliebt. Er handelt nach seinem Wohlgefallen. Wir bestimmen nicht über ihn. Er bestimmt über uns. Gut, wenn uns das eines Tages auch einmal einleuchtet. Das Wunder aller Wunder ist, wenn wir seine Barmherzigkeit erleben: »All Morgen ist ganz frisch und neu / des Herren Gnad‘ und große Treu.« Immer wieder begegnet sie uns in anderer Gestalt und ist doch jedes Mal dieselbe.

Ein Wunder! Gott ist uns nämlich auch dann nahe, näher, als wir uns selbst sind, wenn wir ferne von ihm sind. Er hört nicht auf, uns, die wir uns immer wieder von ihm abwenden, mit seinem Erbarmen zu leuchten. In seiner Treue hat Gott Geduld mit uns. Er wartet auf uns. Ja, Gott wartet darauf, dass wir zu der Erkenntnis kommen, die unser Bibeltext beschreibt: »Gott ist freundlich dem, der auf ihn hofft.« Gott wartet auf unsere Einwilligung, darauf, dass nicht nur er seine Hand nach uns ausstreckt, sondern dass wir sie auch ergreifen?! Darauf, dass nicht nur er zu uns Ja sagt, sondern dass auch wir ihm unser Jawort geben?! 

Schütteln wir zu alledem den Kopf? Es gibt ein Besseres: Halten wir uns an den Einen, der uns vorangegangen ist und uns immer weiter vorangeht, an den, der als Erster angefangen hat, das von sich selbst zu sagen: »Ich bin das Licht der Welt!« (Joh 8,12). Folgen wir ihm und seinen Worten, auch dieser Tage! Und versuchen wir zu beten, vielleicht inspiriert nach jenem Lied des Reformators Johannes Zwick:  »O Gott, du schöner Morgenstern, gib uns, was wir von dir begehr‘n: Zünd deine Lichter in uns an, lass uns an Gnad kein Magel han.«

 AMEN!   

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und Gottes Segen für die kommende Woche.

Ihr Pfr. Paul-Gerhard Feilcke. 

(Foto Pfarrer Paul-Gerhard Feilcke)

Beitrag von Pfarrer Paul-Gerhard Feilcke